Camper, Hotelgäste, Familien in Ferienwohnungen: Wer als Tourist nach Kressbronn am Bodensee kommt, muss vielerorts schon seit Jahren Kurtaxe zahlen.
Raphael Spohns Fischerboot am Bodensee ist nicht luxuriös. «Fünf, sechs Meter lang und zwei Sitzbänke drauf – das ist keine Motorjacht», sagt der 37-Jährige.
Spohn ist Vorsitzender des Angelsportvereins in Kressbronn und soll dieses Jahr erstmals Kurtaxe zahlen. 198 Euro pro Jahr will die Gemeinde von ihm haben, weil sein Boot dort vor Anker liegt – und Spohn nicht in Kressbronn, sondern im benachbarten Tettnang wohnt. Damit gelte er seit 1. Januar als «qualifizierter Tagesgast», sagt Spohn. «Das ist schon frech.»
Das Geld soll helfen, Einrichtungen für Urlauber zu finanzieren. Ausgenommen waren davon bisher aber alle, die auf ihren Jachten, Segel- und Sportbooten im größten Hafen am Bodensee übernachten konnten. Rund 1400 Booten bietet die Marina Ultramarin in Kressbronn Platz, zum Hafen gehören Restaurants und ein Hotel. Die Gemeinde wollte auch dort zur Kasse bitten – und stößt damit auf erbitterten Widerstand. Mit einem ersten Versuch, von zahlreichen Bootsbesitzern im Hafen Kurtaxe zu verlangen, scheiterte die Gemeinde Kressbronn im vergangenen Jahr am Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Mannheim. Der Bodensee und damit die Liegeplätze der Boote gehörten nicht zum Gebiet der Gemeinde, urteilte das Gericht im Juli 2021. Daher sei die Satzung zur Kurtaxe unwirksam. Doch der VGH zeigte der Gemeinde in seinem Urteil eine Möglichkeit auf, wie sie die Bootsbesitzer doch noch zur Kasse bitten kann. Schließlich könnten diese als «qualifizierte Tagestouristen» die Einrichtungen in Kressbronn nutzen und hätten dazu bei schlechtem Wetter auch genug Anlass. Ob sie das tatsächlich tun und ihr Boot auf dem Gebiet der Gemeinde liegt oder nicht, sei dann nicht entscheidend. Also änderte der Kressbronner Gemeinderat seine Satzung zur Kurtaxe ein zweites Mal. Zu Jahresbeginn trat sie in Kraft – und landet jetzt erneut vor dem VGH in Mannheim. Hafenbetreiber, Angelsportverein und zwei weitere Kläger gehen auch gegen das neue Regelwerk juristisch vor. «Aus unserer Sicht wurde die Satzung verschlimmbessert», sagt Vereinschef Spohn. Denn jetzt sollen nicht nur Besitzer von Booten mit Möglichkeiten zur Übernachtung an Bord Kurtaxe zahlen – sondern alle, die in der Marina ein Boot liegen haben und nicht in Kressbronn wohnen. «Auch ein Paddelboot würde da theoretisch drunter fallen», sagt Spohn. Viele Vereinsmitglieder wohnten wie er in umliegenden Gemeinden, engagierten sich aber ehrenamtlich in Kressbronn – und würden nun wie Urlauber behandelt. Andernorts am Bodensee beobachtet man den Streit genau. Immenstaad wolle sich in diesem Jahr ebenfalls «mit der Einführung der Kurtaxe für die Dauer-Bootsliegeplätze beschäftigen», sagt Bürgermeister Johannes Henne. Eingeführt werden solle die Abgabe zum 1. Januar 2023. «Die hierbei anhängigen Gerichtsverfahren werden wir daher mitverfolgen.» Auch die Stadt Meersburg verfolge das Verfahren, «damit dann irgendwann eine rechtssichere Lösung für alle Beteiligten vorliegt», sagt Bürgermeister Robert Scherer. Raphael Spohn fürchtet, dass dem Kressbronner Vorbild Gemeinden in ganz Baden-Württemberg folgen könnten. Deshalb will der Vereinschef neben der Klage eine Petition beim Landtag in Stuttgart einreichen. Grundsätzlich habe er für die Erhebung einer Kurtaxe als Abgabe für Touristen Verständnis, betont Spohn. «Wenn man Leistungen in Anspruch nimmt, soll man die auch bezahlen. Ich zahle ja auch Eintritt, wenn ich ins Schwimmbad gehe.» Aber die Mitglieder des Angelsportvereins kämen nicht nach Kressbronn, um Urlaub zu machen, sondern um sich dort ehrenamtlich zu engagieren. /dpa