Gamingszene in Karlsruhe: Ein Blick hinter die Kulissen

Foto: fotolia.com, © am|photo Reflextion eines alten Gebäudes im Anbau des ZKM Karlsruhe

Karlsruhe ist über die Stadtgrenzen hinaus für vieles bekannt: Als Standort des Bundesverfassungsgerichts, für sein Schloss und den dazugehörigen Park, für seine einzigartige Stadtarchitektur und vieles mehr. Was viele jedoch nicht wissen: Karlsruhe hat sich heimlich auch zu einem wichtigen Digitalstandort gemausert.

Vor allem die Gaming-Branche hat hier inzwischen Fuß gefasst. Höchste Zeit, die aktuellen Entwicklungen einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Das Internet hat die Welt der Spiele um ein riesiges Feld an Möglichkeiten erweitert. Steckten hinter den ersten Video-Games noch große Unternehmen mit noch größerem Budget, haben in den letzten Jahren auch Mini-Spiele in App-Form immer mehr Anhänger gefunden.

In diesem Bereich tummeln sich mittlerweile auch eine Menge kleinerer und mittelständischer Unternehmen, die sich mit ihren Entwicklungen auf dem Markt behaupten können. Und einige davon sind in unserer Region angesiedelt. Wachsender Wirtschaftsbereich in der Region Gleich zwei Unternehmen aus Karlsruhe finden sich auf der Liste der 25 größten Spieleentwickler in Deutschland: Gameforge (rund 300 Mitarbeiter) und FlareGames (etwa 140 Mitarbeiter). Neben den großen „Entwicklermetropolen“ wie Hamburg oder Berlin gilt die zweitgrößte Stadt BadenWürttembergs inzwischen durchaus als Hot-Spot. Denn es gibt noch eine Reihe weiterer Firmen, die eine weitläufige und vielseitige Branche in der Region widerspiegeln:

 Sharkbomb Studios
 PXNG.LI / PONG Studios
 Bling Bling Games
 CapLab
 FjUTSCHA – The Game Changer

Neben typischen Entwicklungsunternehmen kommen weitere Firmen hinzu, die in dieser Branche zuhause sind. Sie bedienen andere Bereiche rund um das Thema Gaming, etwa die technische Ausrüstung oder haben sich auf digitale Visualisierung spezialisiert. Seit einiger Zeit gibt es in Baden-Württemberg eine eigene Regionalvertretung des Verbands der deutschen Games-Branche e.V. (game) – auch hier zeigt sich Karlsruhe als engagierter
Standort. So finden hier regelmäßig Fachveranstaltungen statt.

 Die Open Stage Games BW im Frühjahr ist beispielsweise eine Plattform, auf der sich Unternehmen präsentieren und Kontakte zu Absolventen oder anderen Interessierten knüpfen können. Die Gemeinschaftsveranstaltung des Karlsruher CyberForums, des K³ Kultur- und Kreativwirtschaftsbüros, der Medien- und Film GmbH Baden-Württemberg sowie der Film Commission Region Stuttgart wird jährlich abwechselnd in Karlsruhe und Stuttgart abgehalten.
 Eine weitere wichtige Veranstaltung für die Branche ist die Bildungsmesse „Learntec“, die jährlich im Januar internationales Fachpublikum in die Karlsruher Messehallen lockt. Auch dort spielt das Thema Gaming seit einiger Zeit eine immer wichtigere Rolle.

Foto: fotolia.com, © Rawpixel.com Group of diverse friends playing game on mobile phone

Vorteilhafte Infrastruktur für die Branche
Ein Grund für die guten Entwicklungen in der Branche der Spieleentwickler: Die gesamte
Kultur- und Kreativwirtschaft findet in der Stadt besonders gute Bedingungen vor. Hier sind
neben mehreren Hochschulen weitere Institutionen angesiedelt, die für hochqualifizierten
Nachwuchs sorgen und effizienten Wissensaustausch sowie die Innovationsentwicklung
fördern.

 KIT Steinbuch Centre for Computing (SCC)
 Karlsruher Institut für Technologie

Nicht zuletzt haben die beiden Regionalprimusse Gameforge und FlareGames einige
talentierte Fachkräfte nach Karlsruhe gelockt. Auch das hat zur weiteren Entwicklung der
Szene und zur Gründung neuer Unternehmen im Games-Bereich beigetragen.

 Auch das zkm (Zentrum für Kunst und Medien) ist als einzigartige Institution ein
wichtiges Aushängeschild und bietet mit seiner eigenen Game-Plattform einen Anlaufpunkt für alle, die sich über die Welt der Computerspiele informieren möchten. Ausstellungen und Versammlungen setzen sich zudem mit aktuellen Positionen und Fragestellungen der Games-Welt auseinander.

 Mit dem CyberLab wurde in Karlsruhe zudem eine wirkungsvolle Plattform geschaffen, die nicht nur die verschiedensten IT-Akteure miteinander vernetzt. Hier werden ganz gezielt Neugründungen unterstützt. Als offizieller IT-Accelerator des Landes Baden-Württemberg fördert die lokale Institution Start-Ups mit Business Angel Programmen oder günstigen Räumlichkeiten.

Foto: unsplash.com, © stephan sorkin

Entwicklung der Spielekultur
Spielen und Zocken zählten schon immer als beliebte Freizeitbeschäftigung. Das Spiel mit
dem Risiko übt seit jeher einen großen Reiz auf die Menschen aus. Ließen wir uns früher von Würfel- und Brettspielen in den Bann ziehen, sind es heute eben digitale Games für die
Konsole, den Computer oder auch fürs Smartphone.

Viele Spiele nutzen dabei einfache psychologische Verhaltens- und Funktionsweisen. Beim
Erfüllen kleiner oder komplexerer Missionen haben wir den Erfolg mehr oder weniger selbst
in der Hand. Mit etwas Übung und Geschick rücken wir dem Ziel etwas näher – denn am
Ende wollen wir alle dasselbe: Gewinnen. Doch natürlich sorgen die Spieleentwickler dabei mit verschiedenen Mechanismen dafür, dass dies nicht so einfach gelingt. Bei Spieleautomaten ist es die integrierte Technik, die das persönliche Spielglück steuert. Bei den digitalen Spielen übernehmen diesen Part ausgeklügelte Algorithmen. Beides führt am Ende dazu, dass wir die Lust nicht verlieren und das „Ziel“ des Spiels nicht ganz so leicht zu erreichen ist.

Was genau ein Online-Game heute attraktiv macht, weiß Klaas Kersting, der Gründer von
FlareGames sehr genau. In einem Interview beschreibt er die einzelnen Komponenten, die
gleichzeitig den Spaßfaktor mitbringen, aber auch für die notwendige Herausforderung
sorgen. Geld verdienen die Entwickler schließlich überwiegend mit sogenannten In-App-Käufen. Über kleine kostenpflichtige Erweiterungen bekommt der Nutzer dann etwa zusätzliche Funktionen freigeschaltet oder Zugang zu weiteren spannenden Spielinhalten.

Trend zur „Gamification“ als Branchenmotor
Ein spielerischer Ansatz kann ohnehin ein sehr starker Motivator sein. Allein schon das
Erreichen eines neuen „Levels“ kann Glücksgefühle oder Stolz über die eigene Leistung
auslösen. Zusätzliche Benefits, wie dazugewonnene Punkte, neue „Fähigkeiten“ verstärken
dies noch. Doch auch das Ansteigen des Schwierigkeitsgrades fordert heraus und spornt an. Diese psychologischen Mechanismen lassen sich auch für Lernaufgaben nutzen. Gamification oder auf Deutsch „Spielifizierung“ sind die Schlagwörter, welche die Entwicklungen dabei ganz gut beschreiben. Ein einfaches Beispiel sind Apps zum Erlernen einer Fremdsprache. Ihr Aufbau erinnert in vielen Teilen an typische Games mit verschiedenen Leveln, (Erfahrungs)Punkten oder Ranglisten. Die Lerneinheiten sind mit kleinen, abwechlsungsreichen Aufgaben bestückt, durch die sich der Nutzer der App spielerisch durcharbeitet.

Darüber hinaus werden inzwischen viele weitere Anwendungen mit einer gezielt spielerisch
ausgelegten Struktur entwickelt. Als Einsatzbereich bietet sich dabei nicht nur das schulische oder studentische Umfeld an. Die Erwachsenenbildung ist ebenfalls ein riesiges Feld, etwa, wenn es um gezielte Weiterbildung mit individuellen Inhalten in einem Unternehmen geht. Das Unternehmen FjUTSCHA mit Sitz in Karlsruhe hat hier bereits einen Schwerpunkt in seinem Leistungsportfolio geschaffen.

Auf der diesjährigen „Learntec“, die als europäische Leitmesse im Bereich digitale Bildung
gilt, waren unter den insgesamt 341 Ausstellern aus 15 Ländern auch wieder
Softwareentwickler dabei, die sich auf das Thema Gamification spezialisiert haben.
Linda Kruse, die stellvertretende Vorstandsvorsitzende des game-Verbandes zieht ein
positives Fazit der diesjährigen Ausgabe der Messe und hebt das Potential des Gamification-Trends hervor:

„Mit der zunehmenden Digitalisierung unseres Alltags aber auch der Bildung werden
die großen Potenziale von Serious Games und Gamification für immer mehr Menschen
deutlich: Sie können helfen, auch komplexe Themen verständlich aufzubereiten und
die Lern-Motivation dauerhaft zu erhöhen“.

Darüber hinaus ist Karlsruhe seit 2012 Austragungsort für einen jährlichen Fachkongress, der Anwender und Entwickler gleichermaßen anspricht und einen Austausch über aktuelle
Tendenzen zwischen Gamification und Game-Design ermöglicht. Die Veranstaltung mit dem
Namen bizplay findet regelmäßig im Herbst statt.

Foto: unsplash.com, © Bence

Virtual Reality live erleben
Auch der Bereich Virtual Reality (VR) spielt beim Gaming-Erlebnis eine immer größere Rolle. Mit Hilfe spezieller Brillen kann man vollständig in digitale dreidimensionale Welten
eintauchen. Seit Ende 2017 ist dies in der Kaiserpassage in Karlsruhe im Spieleraum für
Virtual Reality Arcade Games möglich.

Im VR|Playspace befindet man sich mit Unterstützung der Technologie mit seinem ganzen
Körper inmitten des Geschehens wieder. Neben typischen Actiongames in exotischen
Galaxien oder historischen Szenarien können auch Unterwasserwelten erforscht oder
virtuelle Boxkämpfe ausgetragen werden.

Karlsruhe als Smart-City
Karlsruhe ist dabei, sich immer stärker als wichtiger Standort der Digitalbranche zu
etablieren. Die Stadt findet sich als eine von insgesamt acht Orten aus Baden-Württemberg
auf dem aktuellen Smart-City-Atlas wieder. Dieser wurde jüngst vom Bundesverband
Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e. V. (bitkom) veröffentlicht.
Insgesamt 50 Kommunen werden dort aufgelistet, die bundesweit als Vorreiter in Sachen
Smart-City unterwegs sind. Als Branche mit großem Zukunfts- und Wachstumspotential ist
der Bereich Gaming dabei aus der Region nicht mehr wegzudenken und nimmt inzwischen
einen festen Platz ein.