Ein seltenes Tier stellt das Treiben an einem Karlsruher Baggersee auf den Kopf. Die Gemeinde steht vor einer riesigen Entscheidung – und egal, wie sie ausfällt, es wird Verlierer geben.
Familien suchen nach einem Parkplatz, Kinder laufen voraus zum Wasser, die Sonne brennt vom Himmel. Eigentlich eine ganz normale Sommer-Szene. Doch ein seltenes Tier stört das lockere Treiben an diesem Karlsruher Baggersee.
Vom Aussterben bedroht: Jetzt frisst er sich ins Zentrum eines Konflikts
Ein stiller Bewohner direkt am Parkplatz bringt derzeit die Pläne der Gemeinde Linkenheim-Hochstetten durcheinander – und zwingt sie zu einer folgenschweren Entscheidung. Denn mitten zwischen Autos, Asphalt und Badegästen kämpft eine bedrohte Käferart ums Überleben. Auf dem Parkplatz des Karlsruher Baggersees Streitköpfle steht eine alte Eiche und beherbergt ein seltenes Tier, das sich über sie hermacht. Was ist nun wichtiger? Und von wem ist überhaupt die Rede?
Er gehört zu den größten Käferarten Europas und steht auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Arten. Und dass sich der Heldbockkäfer ausgerechnet hier niedergelassen hat, ist ein kleiner biologischer Glücksfall – aber auch ein Problem. Denn der Baum wird immer hohler. Das seltene Tier hat fingerdicke Röhren ins Holz gegraben, um seinen Nachwuchs an dem Karlsruher Baggersee großzuziehen. Der Baum steht zwar noch fest, doch die Gefahr, dass er irgendwann umstürzt, ist real. Und was dann? Absperren? Aufwendig abstützen für rund 20.000 Euro? Oder gar fällen?
Der Parkplatz des Sees wird zum letzten Rückzugsort für das fast vergessene Wesen
Die Gemeinde verdient mit dem Parkplatz Geld – je weniger Stellfläche, desto weniger Einnahmen. Doch der Baum darf nicht einfach weichen. Denn ein Fällen ist nur unter strengen Auflagen möglich. Selbst dann müssten die Baumstämme vor Ort bleiben, damit die Larven weiterleben und schlüpfen können. Eine Maßnahme, die den Aufwand kaum verringert. Und es geht nicht nur um einen Baum. Insgesamt stehen 30 Bäume auf dem Parkplatz, zehn davon sind bereits befallen. Es ist eine regelrechte Sisyphos-Arbeit, sagen die Verantwortlichen – und doch eine, die über Leben und Aussterben entscheiden kann.
Für das seltene Tier ist der Parkplatz an dem Baggersee ein echtes Paradies und einer der letzten Orte, an denen die Art im Raum Karlsruhe überhaupt noch existiert. Wird sein Zuhause zerstört, verschwindet oft der ganze Bestand. Außerdem schafft er für andere bedrohte Arten ideale Bedingungen: Die von ihm geschädigten Bäume sind später ideale Brutstätten für weitere seltene Insekten und Pilze.
Die Gemeinde steht nun zwischen den Fronten: Auf der einen Seite steht der Wunsch nach Sicherheit, Einnahmen und Flexibilität. Auf der anderen der Artenschutz und die Verpflichtung, einer bedrohten Spezies das Überleben zu ermöglichen. Was auch immer die Gemeinde tut – es wird Spuren hinterlassen. Wenn es um Saugwürmer geht, die sich in unsere Haut bohren, fällt die Entscheidung deutlich leichter.