In einem ausgewiesenen Naturschutzgebiet will Karlsruhe jetzt Bäume fällen lassen. Und das mitten in der sensiblen Vogelbrutzeit. Für viele Naturfreunde klingt das wie ein Schildbürgerstreich – und sorgt für Empörung.
Ausgerechnet dort, wo die Natur eigentlich ungestört bleiben soll, rollen schwere Maschinen an. Denn in einem Naturschutzgebiet bei Karlsruhe will man jetzt Bäume fällen lassen. Viele fragen sich, ob das ein schlechter Scherz sein soll.
Rodung mitten im Frühling: Die Brutzeit scheint den Verantwortlichen dabei völlig egal zu sein
Während Vögel nisten, brüten und ihre Jungen aufziehen, plant die Stadt Karlsruhe, mit Motorsägen anzurücken. Die geplanten Arbeiten fallen genau in den Zeitraum vom 29. Mai bis zum 20. Juni 2025 – eine Zeit, in der sonst jede Störung in Schutzgebieten vermieden wird. Doch die Verantwortlichen halten an ihrem Plan fest und werden tatsächlich bestimmte Bäume im Naturschutzgebiet fällen. Betroffen ist die dabei Böschung entlang der Linie S1/S11, insbesondere im Abschnitt um die Haltestelle August-Bebel-Straße. Die Bahnstrecke verläuft direkt westlich des “Alten Flugplatzes Karlsruhe”, einem Gebiet mit landesweit einzigartigem Sand-Magerrasen – und offiziellem Natura-2000-Schutzstatus. Genau in diesem Naturschutzgebiet wird man die entsprechenden Bäume fällen.
Allerdings sind die Bäume, die dort gerodet werden sollen, keine alten, ehrwürdigen Eichen oder schützenswerten Kiefern. Es handelt sich um den Götterbaum – botanisch “Ailanthus altissima.” Zwar kommt er mit seinem Namen pompös daher, aber der Götterbaum ist zum Problembaum geworden. Ursprünglich aus Asien stammend, hat man ihn einst wegen seiner Robustheit als Straßenbaum geschätzt. Diese Zeiten sind vorbei. Er wächst nämlich rasend schnell, produziert Unmengen an Samen und verdrängt unsere heimischen Pflanzenarten. Die Folge: Wichtige Lebensräume für Insekten, Vögel und seltene Pflanzen verschwinden. Deshalb steht er auf der EU-Liste invasiver Arten, deren Ausbreitung gestoppt werden muss. Und das per Gesetz. Somit wird schon sehr viel klarer, warum man die Bäume im Naturschutzgebiet fällen muss. Im vergangenen Jahr begann Karlsruhe zwar schon damit, die Problembäume abzuschneiden – doch das hat nicht gereicht. Denn sie wachsen einfach wieder nach.
Ein Baum mit schönem Namen – doch nicht alles ist ein Gewinn für die Natur
Ja, der Götterbaum reagiert auf Abschneiden mit Neuaustrieb, weshalb jetzt nur noch eine gründliche Rodung samt Wurzeln hilft. Und diese lässt sich nur während der geplanten Vollsperrung der Bahnlinie durchführen. Dennoch bleiben Fragen: Ist es wirklich nötig, in einem Naturschutzgebiet während der Brutzeit Bäume zu fällen? Selbst mit ökologischer Baubegleitung und Nester-Suche im Vorfeld: Die Störung ist da und nicht ganz ohne Risiko – zumal der Götterbaum oft einfach wiederkommt.
Somit hat Karlsruhe zwar gute Gründe, die Bäume aus dem Naturschutzgebiet zu entfernen, und dennoch sorgt der Zeitpunkt für Irritationen. Ein gewisses Unbehagen bleibt. Was wie ein Widerspruch klingt, ist ein Balanceakt zwischen aktivem Eingreifen und dem Schutz der Natur.