Jahrelang war das Gejammer groß: Zu wenig Ladepunkte, zu viel Unsicherheit. Doch plötzlich haben wir in Deutschland zu viele Ladestationen. Es wird Zeit, dass die Menschen aufs E-Auto umsteigen.
Deutschland hat Ladestationen geliefert – aber offenbar zu früh und vor allem zu viele! Es ist ein wenig absurd: Während sich viele noch über Preise, Reichweiten und Prämien von E-Autos den Kopf zerbrechen, stehen an den Straßenrändern Tausende ungenutzte Ladesäulen.
Einsame Säulen, leere Plätze: Trotz großem Überfluss hinken manche Länder hinterher
Auf einmal gibt es sie im Überfluss. Wer heute öffentlich sein E-Auto laden will, hat gute Chancen, ganz allein an der Säule zu stehen. Hat Deutschland es mit dem Ausbau von Ladestationen etwa übertrieben? Oder steckt hinter dem Überangebot ein genialer Schachzug für die Zukunft? Vor Supermärkten, in Parkhäusern – fast überall stehen einsame Säulen, ohne dass jemand mit ihnen laden will. Wobei es wohl keine Frage des Wollens, sondern viel mehr des Könnens ist. Denn nach wie vor sind gerade einmal 3,3 Prozent der in Deutschland zugelassenen Pkw elektrisch (Stand 1. Januar 2025). Auf der anderen Seite gibt es seit Februar 2025 in Deutschland knapp 162.000 öffentliche Ladestationen. Das ist ein Plus von rund 21 Prozent innerhalb nur eines Jahres.
Über ein Drittel davon sind Schnelllader, die vor allem auf Langstrecken und im urbanen Raum zum Einsatz kommen sollen. Doch ein Großteil der Ladesäulen wird bislang nur selten oder gar nicht genutzt. Eine aktuelle Analyse zeigt, dass rund ein Viertel der High-Power-Charging-Stationen lediglich eine Auslastung zwischen 1 und 5 Prozent verzeichnete. Über 25 Prozent blieben im untersuchten Zeitraum sogar komplett ungenutzt. Ein Grund für die geringe Auslastung liegt nicht zuletzt im regional stark schwankenden E-Auto-Bestand. Während Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg jeweils über 250.000 Elektrofahrzeuge auf die Straßen gebracht haben, sind es in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zusammen nicht einmal 80.000. Besonders deutlich wird das Ungleichgewicht beim Vergleich von Ladepunkten und zugelassenen Stromern: In Bayern etwa kommen mehr als fünfmal so viele Ladesäulen auf den Markt wie in Sachsen – obwohl dort nur dreimal so viele Menschen leben.
Zu früh gebaut – dennoch könnten die Ladesäulen bald schon Gold wert sein
Dass so viele Ladepunkte derzeit kaum wirtschaftlich betrieben werden können, sorgt in der Branche zunehmend für Unruhe. Große Anbieter wie EnBW haben ihre Ausbaupläne bereits zurückgefahren. Denn: Der Bau einer einzigen Schnellladesäule kann schnell sechsstellige Summen kosten – und rechnet sich nur bei hoher Auslastung.
Und dennoch: So paradox es klingt – das vermeintliche Überangebot an Ladestationen könnte sich schon bald für Deutschland auszahlen. Vielleicht kam der massive Ausbau ein wenig zu früh, aber was viel wichtiger ist: sicher nicht zu spät. Klar ist, wer jetzt den Umstieg aufs E-Auto wagt, bekommt hierzulande fast überall eine breite Infrastruktur geboten. Die vielen freien Säulen von heute werden die große Entlastung von morgen sein. Denn nur wer vorausbaut, verhindert späteres Chaos. Die zukünftigen E-Auto-Fahrer werden es uns danken.