Karlsruhe-Insider: Was müssten Lebensmittel eigentlich kosten, wenn ihre ökologischen Auswirkungen entlang der Lieferkette mit in den Verkaufspreis einflössen?
Antwort auf diese Frage geben PENNY und die Universität Augsburg und stellen anhand erster Produkte eine Berechnung “wahrer Verkaufspreise” vor. Anlass ist die morgige Eröffnung (02.09.) des ersten Nachhaltigkeits-Erlebnismarktes “PENNY Grüner Weg” an der Fehrbelliner Straße 29 in Berlin Spandau.
In diese so genannten “wahren Kosten” (True Costs) haben die Wissenschaftler für acht ausgewählte konventionell und ökologisch erzeugte Eigenmarken-Produkte die über die Lieferketten anfallenden Auswirkungen von Stickstoff, Klimagasen, Energie und Landnutzungsänderungen auf den Verkaufspreis mit eingerechnet. Schon anhand dieser vier Parameter kommen Dr. Tobias Gaugler und sein Team zu der Erkenntnis, dass die bisherige Preisdiskussion zu kurz greift, denn die zwangsläufig entstehenden Folgekosten unseres Konsums werden nicht berücksichtigt: Weder im ökologischen noch im konventionellen Landbau. Weitere Erkenntnis: Die Erzeugung der erhobenen konventionellen Lebensmittel hat bei weitem nicht so negative Folgen, wie es teilweise in der öffentlichen Diskussion erscheint: Aufschläge von wenigen Cent pro Kilogramm würden hier teilweise schon reichen.
Anhand der exemplarischen Auswertung müsste der Verkaufspreis der acht konventionell erzeugten Lebensmittel (Apfel, Banane, Kartoffel, Tomate, Mozzarella, Gouda, Milch und gemischtem Fleisch) pro Kilogramm um durchschnittlich rund 62 Prozent steigen. Gemessen an den aktuellen Verkaufspreisen entspricht das einer durchschnittlichen Preissteigerung von 2,30 Euro pro Kilogramm. Bei den Alternativen aus ökologischem Landbau liegt das Plus bei rund 35 Prozent oder von 2,28 Euro pro Kilogramm. Unter Berücksichtigung der Verzehrgewohnheiten ergibt sich ein Zuschlag von 52 Prozent (konventionell) und 32 Prozent (ökologisch).
“Wir haben in der Vergangenheit oft intensiv und zum Teil kontrovers über die Preise unserer Lebensmittel diskutiert. Aus unserer Sicht greift die bisherige Betrachtung aber zu kurz, wie die Berechnungen der Universität Augsburg eindrucksvoll belegen. Wir müssen dazu kommen, die Folgekosten unseres Konsums sichtbar zu machen. Nur so können Kunden am Regal entscheiden. Wir sind als Unternehmen in einem wettbewerbsintensiven Markt ohne Zweifel Teil des Problems. Ich glaube aber, dass wir mit diesem Schritt Teil der Lösung werden können. Ich hoffe, dass unsere Kunden positiv auf die doppelte Preisauszeichnung reagieren. Dann können wir uns gut vorstellen, sowohl die Anzahl der Produkte mit dieser Kennzeichnung zu erhöhen als auch den Test auf weitere Märkte auszuweiten”, so Stefan Magel, Bereichsvorstand Handel Deutschland der REWE Group und COO PENNY. “An der Kasse zahlen unsere Kunden natürlich den Verkaufspreis ohne True Costs”, so Magel.
PENNY hat dem Thema “True Costs” eine eigene interaktive Informationsstation in seinem morgen eröffnenden Nachhaltigkeits-Erlebnismarkt in Berlin-Spandau gewidmet.
Dr. Tobias Gaugler vom Institut für Materials Resource Management an der Universität Augsburg ergänzt: “Die aktuellen Verkaufspreise für Lebensmittel spiegeln die Kosten der Umweltfolgen von Stickstoff, Klimagasen und Energieerzeugung nicht oder nur unzureichend wider. Die Schadkosten fallen aber dennoch an, eben nur versteckt. Unsere Berechnungen zeigen das Delta auf. Wobei wir weitere wichtige Aspekte wie Tierwohl oder die Folgen multi-resistenter Keime mangels entsprechenden Datengrundlage noch gar nicht mit einbezogen haben. Ich freue mich, dass wir das nun nicht nur in wissenschaftlichen Zirkeln diskutieren können, sondern in den Alltag der Menschen bringen. Ich bin sehr gespannt, ob die doppelte Preisauszeichnung Lenkungswirkung hat.”
Über die wahren Kosten
Im Unterschied zu den aktuellen Lebensmittelpreisen zeichnen sich die “wahren Kosten” (“True Costs”) von Lebensmitteln dadurch aus, dass in diese auch Umwelt- und soziale Folgekosten eingehen, die bei der Herstellung der Lebensmittel entstehen. Diese Folgekosten werden auch als “negative externe Effekte” bezeichnet. Sie werden von Lebensmittelproduzenten verursacht, aber aktuell – indirekt – von der Gesamtgesellschaft getragen. So zahlen die Verbraucher beispielsweise für die Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft mit dem Klimawandel und seinen Auswirkungen; oder sie bezahlen mit der Wasserrechnung für die Aufbereitung von Trinkwasser, welches aufgrund von Düngemitteln belastet ist. Mittels “True Cost Accounting” werden nicht nur die direkten Produktionskosten in den Preis eines Lebensmittels eingerechnet, sondern auch dessen Auswirkungen auf ökologische oder soziale Systeme in Geldeinheiten umgerechnet. Eine Bilanzierung von Lebensmittelpreisen anhand dieser wissenschaftlichen Methodik zeigt dem Konsumenten, welcher Preis tatsächlich für seine Lebensmittel derzeit schon anfällt – nicht an der Supermarktkasse, aber anderswo – und hilft zu verstehen, welche Produkte sich langfristig wie auf die Gesundheit des Planeten – und gleichzeitig den Geldbeutel – auswirken.
Übersicht der ungewichteten True Costs-Berechnung der Universität Augsburg
Lebensmittel / Produktionsart / Preisaufschlag
- Apfel / Konventionell (Bio) / 8% (4%) - Banane / Konventionell (Bio) / 19% (9%) - Kartoffel / Konventionell (Bio) / 12% (6%) - Tomate / Konventionell (Bio) / 12% (5%) - Mozzarella / Konventionell (Bio) / 52% (30%) - Gouda / Konventionell (Bio) / 88% (33%) - Milch / Konventionell (Bio) / 122% (69%) - Gemischtes Fleisch / Konventionell (Bio) / 173% (126%)