Karlsruhe pocht auf Rechte für abgelehnte Asylbewerber

Symbolbild Foto: Hamed Sarfarazi/AP/dpa

Karlsruhe-Insider: Das Bundesverfassungsgericht pocht auf wirksamen Schutz abgelehnter Asylbewerber aus Afghanistan vor vorschnellen Abschiebungen.

Klagen sie gegen den Bescheid und beantragen aufschiebende Wirkung, dürfen ihnen die Verwaltungsgerichte auch bei restriktiver Abschiebepraxis nicht einfach das Rechtsschutzbedürfnis absprechen, entschieden die Richter in drei Fällen aus Berlin. Sie gaben den Verfassungsbeschwerden dreier Afghanen statt, wie das Gericht in Karlsruhe am Dienstag mitteilte. Das Verwaltungsgericht Berlin muss ihre Fälle neu prüfen. (Az. 2 BvR 297/20 u.a.)

Die Bundesländer nutzen die Möglichkeiten zu Abschiebungen nach Afghanistan sehr unterschiedlich. Dabei spielt auch die politische Ausrichtung der Landesregierung eine Rolle. So tritt die bayerische Staatsregierung seit Jahren für konsequente Abschiebungen ein.

In Berlin gilt die Weisung, dass nach Afghanistan nur Straftäter, sogenannte Gefährder und «Personen, die sich hartnäckig der Identitätsfeststellung verweigern», abgeschoben werden sollen. Außerdem muss jeder Abschiebung die Innenbehörde zustimmen. Die Verwaltungsrichter waren deshalb der Ansicht, dass den Männern keine Abschiebung drohe. Eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage erübrige sich deshalb, es gebe kein Rechtsschutzbedürfnis.

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Das sehen die Verfassungsrichter anders. Die Kläger seien vollziehbar ausreisepflichtig. Die Verfahrenshinweise der Ausländerbehörde seien nur interne Verwaltungsvorschriften, die jederzeit geändert werden könnten. Außerdem habe die Anordnung der aufschiebenden Wirkung für die Afghanen auch andere Vorteile. So sei damit automatisch die Duldung verbunden, die sonst im Ermessen der Ausländerbehörde stehe. Insgesamt sehen die Richter die Kläger deswegen in ihrem Grundrecht auf effektiven und möglichst lückenlosen Rechtsschutz verletzt.

Deutschland hat seit Dezember 2016 bei 33 Sammelabschiebungen 907 Männer nach Afghanistan zurückgebracht, zuletzt vor Verschärfung der Corona-Pandemie am 12. März. Die Abschiebungen sind umstritten. Trotz der Aussicht auf Friedensgespräche der afghanischen Regierung mit den militant-islamistischen Taliban geht der Konflikt weiter. /dpa