Neuer Prozess: Rapper Xatar und der Goldraub in Baden-Württemberg

© Screenshot: Youtube/​ Alles Oder Nix Xatar im Video zu

Karlsruhe-Insider (dpa) – Der Überfall auf einen Goldtransporter bei Ludwigsburg ist filmreif.

Als Polizisten der Steuerfahndung verkleidet, lotst eine Bande den Wagen aus Nürnberg im Dezember 2009 von der Autobahn 81 bei Ludwigsburg und geradewegs in die Falle.

Fahrer und Begleiter werden unter einer Brücke mit Handschellen gefesselt und in einem Waldstück bei Heilbronn ausgesetzt. Dann machen sich die Goldräuber mit dem Besitz des Schmuckhändlers aus dem Staub. Im Gepäck: 120 Kilo Schmuck und Zahngold im Wert von schätzungsweise rund 1,7 Millionen Euro.

Als der leer geräumte Goldtransporter am Abend an der Autobahn bei Mundelsheim gefunden wird, sind die Räuber bereits auf der Flucht, die sie über Moskau bis in den Irak bringen wird. Aber es ist eine Sackgasse, denn sie haben Spuren an einer Handschließe hinterlassen, die sie verraten.

Mehr als elf Jahre ist das schon her – und fast alle Goldräuber, darunter der populäre Gangster-Rapper «Xatar», saßen wegen des Beutezugs bereits hinter Gittern. Und doch ist das juristische Nachspiel vor dem Landgericht noch nicht zu Ende. Denn seit Freitag
sitzt ein mutmaßlich siebter Komplize auf der Anklagebank des Stuttgarter Landgerichts.

Auf mehreren Seiten hat der 36-jährige aufgelistet, warum er nach seiner Aussage beim Coup damals gar nicht dabei gewesen sein konnte. Ja, er habe die anderen Männer aus Meckenheim gekannt. «Man läuft sich halt hier und da mal über den Weg», sagt er. «Aber ich war weder zur Tatzeit noch am Tattag mit dabei, auch nicht am Vortag», sagte
der sichtlich aufgebrachte Familienvater. «Alles in der Anklageschrift trifft nicht zu», betont er vehement.

Am Tag des spektakulären Überfalls habe er seinen Bruder zu einem Termin an einer Hochschule in Sankt Augustin bei Bonn begleitet, sagte der Familienvater aus dem Bonner Raum. Außerdem habe er am Nachmittag desselben Tages im Rheinland einen Lastwagen verkauft. Das wäre nach seiner Einschätzung als Spediteur mit einer Fahrt vom Tatort aus zeitlich nicht zu schaffen gewesen. «Das alles an einem Tag, da muss man schon gut drauf sein», sagte er. Mehr als elf Jahre nach der Tat machten ihm allerdings bei der Aussage auch Erinnerungslücken zu schaffen.

Die Staatsanwaltschaft sieht das ganz anders: Der Deutsche sei beim Coup im Dezember 2009 mit einem weiteren Täter dem Goldtransport gefolgt, er sei während der fingierten «Kontrolle» mit dabei gewesen, habe den Schmuck und das Gold auf einem Parkplatz in sein Auto verladen und sei damit Richtung Bonn geflüchtet. Er stand von Anfang an im Verdacht, zumindest sein Fahrzeug für die Tat zur Verfügung gestellt zu haben. Allerdings hatte sich dies damals nicht hinreichend erhärten lassen, das Verfahren wurde im August 2010 eingestellt.

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Das änderte sich in den folgenden Jahren. Denn in den Verhandlungen gegen seine mutmaßlichen damaligen Komplizen fiel auf, dass der Deutsche wohl doch wesentlich stärker in den Überfall eingebunden sein könnte als bislang gedacht. Die Auswertung von Mobilfunkdaten habe gezeigt, dass sich der Mann zu relevanten Zeitpunkten stets in
der Nähe der anderen Täter aufgehalten haben soll, sagte die Sprecherin der Stuttgarter Staatsanwaltschaft, Melanie Rischke. Das Problem: «Für die eigentliche Tat gibt es keine Daten», räumt sie ein. Dennoch wurde im Juli 2013 Anklage erhoben.

Nach Auskunft der Staatsanwaltschaft ist der Mann der einzige Tatverdächtige, gegen den im Zusammenhang mit dem Goldraub noch ermittelt wird. Denn der mutmaßliche achte Täter war 2010 so schwer erkrankt, dass er für verhandlungsunfähig erklärt wurde. Er soll den Goldräubern den entscheidenden Tipp gegeben haben.

Und die Beute? Verschwunden. Spurlos. Alle Angeklagten hatten im Prozess dazu geschwiegen. Sie wollen die wertvolle Fracht einem unbekannten Mann übergeben haben und dafür jeweils einige Tausend Euro kassiert haben.

Zumindest dem Rapper «Xatar» («Baba aller Babas») scheint die Zeit auf der Stuttgarter Anklagebank und in der Stammheimer Gefängniszelle nicht geschadet zu haben: Er gilt heute als eine der mächtigsten und schillerndsten Figuren der deutschen Rap- und Hip Hop-Szene. Der gebürtige Iraker ist erfolgreicher Musikproduzent, Verleger und natürlich Rapper, er besitzt eine Shisha-Bar, einen Imbiss, ist mit einer eigenen Tabak-Marke unterwegs und ist ins Schmuck- und Kleidungsdesign eingestiegen. Und «Xatar» könnte schon bald zum Filmstar werden. Denn der Regisseur Fatih Akin («Der goldene Handschuh») will seinen Werdegang unter dem Titel «Rheingold» verfilmen, basierend auf seiner Biografie «Alles oder Nix» von 2015, in der auch den Raub detailliert schildert.

«Xatars» Name dürfte schon bald auch vor dem Landgericht in Stuttgart wieder eine Rolle spielen. Am Dienstag kommender Woche (2. März) soll er selbst als Zeuge aussagen. Mit einem Urteil der 17. Großen Strafkammer wird aber nicht vor Mitte September gerechnet.