Karlsruhe-Insider (dpa/lsw) – Nach dem mutmaßlich rassistischen Anschlag in Hanau sind die Verfassungsschützer auch im Südwesten alarmiert.
Die Präsidentin des baden-württembergischen Geheimdienstes, Beate Bube, sprach am Freitag von einer abstrakt hohen Gefahr. «Das bedeutet auch, dass wir mit schweren Gewalttaten und Anschlägen rechnen müssen.»
Nach Angaben der Türkischen Gemeinde Baden-Württemberg (tgbw) ist die Verunsicherung bei Menschen mit türkischstämmigen Wurzeln groß. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) versicherte bei einem Besuch des Verbandes in Stuttgart: «Sie können uns an Ihrer Seite wissen.» Man werde alles für die Sicherheit tun.
Ein 43-jähriger Deutscher hat am Mittwoch im hessischen Hanau zehn Menschen und sich selbst erschossen. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sprach von einem rechtsterroristischen Terroranschlag. Der Generalbundesanwalt ermittelt wegen des Verdachts auf eine terroristische Gewalttat.
Bube sagte, die zunehmende Radikalisierung von Rechtsextremisten und die teils erschreckende Gewaltbereitschaft der Szene seien große Herausforderungen für die Verfassungsschützer. Ihr Amt wolle militante Kleinstgruppen und stark radikalisierte Einzeltäter stärker beobachten – auch im Internet. Innenminister Thomas Strobl (CDU) hatte bereits angekündigt, im Landesamt eine eigene Abteilung zur Beobachtung von Rechtsextremisten einrichten zu wollen. Bisher bearbeitet eine Abteilung Links- und Rechtsextremismus zusammen.
Die Verfassungsschützer gehen von rund 1700 Rechtsextremisten in Baden-Württemberg aus. Davon werden rund 770 als gewaltorientiert eingeschätzt. Die Zahl rechtsextremistischer Straftaten ist nach Angaben aus dem Verfassungsschutzbericht von 1318 im Jahr 2017 auf 1375 im vergangenen Jahr gestiegen. Die Zahl rechtsextremistisch motivierter Gewalttaten stieg im selben Zeitraum von 39 auf 48.
Das Vorstandsmitglied der Türkischen Gemeinde, Halil Karacoban, sagte, es gebe wegen der Ereignisse in Hanau eine Unruhe in den Moscheen und in den Jugendhäusern. Vor allem Jugendliche seien sehr aufgewühlt und fühlten sich nicht mehr sicher. Er forderte, die
Politik müsse viel stärker gegen rechts durchgreifen und an bestimmten Orten mehr Polizeipräsenz sicherstellen. Karacoban sagte, er selber sei als Kind aus der Türkei nach Deutschland gekommen. Sein Wunsch sei, dass seine Kinder sich hier wohl fühlten. Leider habe sich die Situation in Deutschland in den vergangenen fünf bis zehn Jahren in die andere Richtung entwickelt.