ÖPNV Karlsruhe: Offiziell der beste Nahverkehr in Deutschland

Das Karlsruher Modell ist so erfolgreich, dass es von vielen anderen Städten in Deutschland und ganz Europa als Vorbild genommen wurde.
Symbolbild © istockphoto/Boarding1Now

250 Bus- und Bahnlinien können Fahrgäste im Karlsruher Stadtgebiet und Umland nutzen, um ihr Wunschziel zu erreichen. Das gelingt meist schnell und – aufgrund der geringen Umsteige-Anzahl – bequem. Mittlerweile ist es offiziell: Der ÖPNV in Karlsruhe ist der beste Nahverkehr Deutschlands.

Festgestellt hat das ein Reisegutscheinportal, das zur Einführung des 49-Euro-Tickets den Nahverkehr der 25 einwohnerstärksten deutschen Städte verglichen hat. Teil dieses Vergleichs war auch der ÖPNV Karlsruhes – und er hat überaus gut abgeschnitten. Getestet wurden dabei die Kategorien „Anzahl der ÖPNV-Mittel einer Stadt wie U- und S-Bahn, Bus, Tram oder Fähre“, „Gesamtanzahl der Linien innerhalb einer Stadt“ und „Schnelligkeit in Relation zur Größe der Stadt in Quadratkilometern“. Die maximale Punktzahl, die ein ÖPNV in allen drei Kategorien erreichen konnte, lag bei insgesamt 70 Punkten.

Besonders viele Punkte konnte der ÖPNV in Karlsruhe hier durch seine Schnelligkeit und die geringe Umsteige-Anzahl einheimsen. In der Summe reichte es am Schluss für 61 Punkte – und damit Platz eins im Ranking, zusammen mit Hannover, dessen Nahverkehr ebenfalls 61 Punkte erreichte.

Vom Zweiten Weltkrieg bis heute – das Nahverkehrsangebot wächst

Wer in Karlsruhe den ÖPNV nutzt, kann zwischen Straßenbahn, Omnibus und Stadtbahnlinie wählen. Betreiber dieser Verkehrsmittel ist der Verkehrsbetrieb Karlsruhe GmbH, kurz VBK. Der VBK ist zu hundert Prozent Eigentum der Karlsruher Versorgungs-, Verkehrs- und Hafen GmbH, die wiederum der Stadt Karlsruhe gehört. In den letzten fünfzig Jahren ist es dem VBK durch den konsequenten Ausbau des Straßenbahnnetzes gelungen, ein sehr erfolgreiches Nahverkehrsangebot zu entwickeln.

Bevor der Verkehrsbetrieb Karlsruhe GmbH die Geschäfte übernahm, gab es die 1894 von der AEG gegründete Karlsruher Straßenbahn-Gesellschaft, die die seit 1877 bestehende Pferdebahnstrecke in einen elektrischen Straßenbahnbetrieb umwandelte. Nachdem die Stadt Karlsruhe die Wichtigkeit der Straßenbahn für die städtische Entwicklung erkannt hatte, kaufte sie sie im Jahr 1903 von der AEG und betreibt sie seitdem im städtischen Eigenbetrieb. Die Fahrgastzahlen stiegen rasch, von 6,8 Millionen Nutzern im Jahr 1901 auf mehr als 15 Millionen im Jahr 1912. 1996 wurden allein im Straßenbahnbereich 66 Millionen Fahrgäste von den Verkehrsbetrieben befördert, die städtischen Buslinien nutzen weitere zehn Millionen Passagiere. Mittlerweile befördert der ÖPVN in Karlsruhe mehr als 100 Millionen Fahrgäste jährlich.

Eine Umbenennung in „Verkehrsbetriebe Karlsruhe“ erfolgte nach dem Zweiten Weltkrieg. Zuvor hieß das Unternehmen „Städtische Straßenbahngesellschaft“. Mit dem neuen Namen wurde der Betrieb von Bussen und anderen Verkehrsmitteln offiziell einbezogen. 1994 wurde mit der Gründung des Karlsruher Verkehrsverbundes (KVV) ein einheitliches Tarifsystem eingerichtet und im Jahr 1997 wurde aus den den Stadtwerken zugehörigen Verkehrsbetrieben Karlsruhe eine eigene GmbH.

Der ÖPNV Karlsruhe ist der zum besten Nahverkehr Deutschlands erwählt worden.
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Ein wichtiger Bestandteil des ÖPNV: Die Straßenbahn in Karlsruhe

Die Straßenbahn in Karlsruhe ist ein Teil des ÖPVN und besteht aus insgesamt sechs Straßenbahnlinien, die an Werktagen tagsüber im Zehn-Minuten-Takt fahren, und außerdem aus drei Sonderlinien. Das normalspurige Straßenbahnnetz wird von den Verkehrsbetrieben Karlsruhe betrieben und verläuft über insgesamt 71,5 Kilometer ausschließlich im Gebiet Karlsruhe.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war das Straßenbahnnetz Karlsruhes lange auf dem Stand der 1930er-Jahre. Weltwirtschaftskrise, Weltkrieg und Materialmangel hatten eine Modernisierung bis dato verhindert. In den 1950er-Jahren begann die Stadt mit den Arbeiten und bis 1980 wurden 75 Prozent des Streckennetzes auf unabhängige Gleiskörper verlegt und bis auf vier kurze Abschnitte zweigleisig ausgebaut.

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Seit 1953 begann man, Netzlücken durch den Bau von Neubaustrecken zu schließen und neu entstandene Stadtteile anzuschließen. Stadtteile wie die Waldstadt, die Nordweststadt, die Rheinstrandsiedlung und Oberreut profitierten davon. Ein weiterer Meilenstein war der 1. Februar 1986, denn an diesem Tag hob man die letzte Zwangshaltestelle im Straßenbahnnetz auf. Seitdem wird an allen Stationen nur noch nach Bedarf gehalten. Außerdem haben die Fahrzeuge seit dem 16. März 1986 wieder farbige Liniennummern zur besseren Erkennbarkeit, lediglich die Linie „A“ behielt ihre alte Kennzeichnung mit schwarzem Buchstaben auf weißem Grund.

Stadtbahn Karlsruhe – das Karlsruher Modell

Die Stadtbahn in Karlsruhe nutzt sowohl die innerstädtischen Straßenbahnstrecken als auch die Eisenbahnstrecken im Umland. Solch ein Stadtbahnsystem wird als „regelspuriges Zweisystem“ bezeichnet und ermöglicht es der Stadtbahn, die gesamte Region Mittlerer Oberrhein zu befahren und Verbindungen zu Nachbarregionen herzustellen.

Dieses als „Karlsruher Modell“ bezeichnete System wurde in den 1980er- und 1990er-Jahren in Karlsruhe und Umgebung schrittweise umgesetzt. Das „Karlsruher Modell“ basiert auf einer innovativen Idee: die Verknüpfung von Straßen- und Eisenbahnstrecken. Damit schafft es einen attraktiven Stadt-Umland-Verkehr. Aber nicht nur in Karlsruhe profitieren die Menschen von diesem Konzept. Denn inzwischen haben auch andere europäische Städte diese Strategie für sich entdeckt und erfolgreich angewandt.

Das Netz der Stadtbahn Karlsruhe ist 663,4 Kilometer lang und umfasst 17 Linien, die Stadt und Umland mit Zügen bedienen, die teilweise direkt ins Zentrum fahren. Dabei benutzt sie unterschiedliche Formen von Strecken, die mit eigenen Gleiskörpern und Ampelvorrangschaltung ausgestattet sind. Das sogenannte Einsystemnetz ist eine reine Straßenbahnstrecke nach der Betriebsordnung für Straßenbahnen. Auf dieser Strecke wird Gleichspannung mit 750 Volt genutzt.

Das Einsystemnetz wird auch als Mischform gebraucht, mit eigenen Nebenstrecken der Albtal-Verkehrs-Gesellschaft, wobei alles mit 750 Volt Gleichstrom betrieben wird. Das Zweisystemnetz ist eine Mischform mit Straßenbahnteilstrecken, die mit 750 Volt Gleichspannung betrieben werden, und Eisenbahnstrecken der DB und AVG, die die Stadtbahn Karlsruhe mit nutzt und die mit Wechselspannung betrieben werden. Außerdem gibt es Teilstücke des Zweisystemnetzes, die im reinen Eisenbahnbetrieb auf Gleisen der Deutschen Bahn und der Albtal-Verkehrs-Gesellschaft betrieben und mit Wechselspannung elektrifiziert werden.

Im Zentrum von Karlsruhe fahren die Züge wie Straßenbahnen auf städtischen Straßenbahngleisen. Sobald sie aber die Stadtgrenze erreichen, wechseln sie auf die Schienen des regionalen Eisenbahnnetzes. Dadurch wird eine direkte Verbindung von der Innenstadt zu entfernten Orten in der Region ermöglicht, ohne dass die Passagiere umsteigen müssen.
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Für einen reibungslosen Ablauf: Der Karlsruher Verkehrsverbund

Ein weiteres wichtiges Zahnrad in der Maschinerie des ÖPVN in Karlsruhe ist der Karlsruher Verkehrsverbund. Ihm kommt die Aufgabe zu, alle Fahrzeuge auf den 250 Bus- und Bahnlinien zu koordinieren und für einen reibungslosen Ablauf zu sorgen. Der Karlsruher Verkehrsverbund wurde am 15. November 1999 gegründet. Am 28. Mai 1994 übernahm er die Verwaltung des öffentlichen Personennahverkehrs in Eisenbahnen, Straßenbahnen und Bussen in der Region Karlsruhe. Dabei übernimmt der KVV bis heute rein organisatorische Aufgaben. Er selbst verfügt über keinerlei Fahrzeuge wie Busse oder Bahnen.

Die Aufgaben des Verkehrsverbundes sind rein verwaltungstechnisch und umfassen verschiedene Bereiche. Eine Aufgabe ist beispielsweise die Koordination der einzelnen Verkehrsunternehmen im Verbundgebiet. Außerdem gehört zu den Pflichten des Karlsruher Verkehrsverbundes die Erarbeitung und Abstimmung von Fahrplänen an Umsteigepunkten. Weiterhin zählen die Herausgabe und Aktualisierung von Fahrplänen sowie die Schaffung einer einheitlichen Tarifstruktur zu den Aufgaben des KVV. Auch die Einnahmeaufteilung und die Grundsatz- und Linienplanung obliegen dem Verkehrsverbund. Zu guter Letzt ist er auch noch für das Marketing, den Vertrieb und die Kundenbetreuung verantwortlich.