Erstes Ferienlager für Erwachsene geöffnet in Baden-Württemberg

Marshmallows über Lagerfeuer im Ferienlager
Symbolbild

Erstes Ferienlager für Erwachsene eröffnet im Südwesten – Erwachsene fühlen sich wie Kinder mit Spiel und Spaß.

Einen Paillettenrock, eine Fellweste und einen glitzernden Zylinder – viel mehr braucht es nicht, damit die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei der «Schnitzeljagd des Wahnsinns» in ihren Rollen ankommen.

Passend zum Outfit zieht jeder einen Zettel, auf dem sein ganz persönlicher Wahnsinn notiert ist: Plötzlich findet Lukas hier alle «super hot», Madlen jammert über den Dreck im Wald und Alex wird zum Höhlenmenschen. Die Schnitzeljagd ist Teil eines Ferienlagers speziell für Erwachsene.

20 Menschen haben dabei für vier bis sechs Tage ihr Lager auf einem Zeltplatz in Rosenberg im Ostalbkreis aufgeschlagen. Je tiefer die bunt kostümierte Gruppe in den Wald vorstößt, desto ausgelassener wird die Stimmung. An Bäumen hängen Zettel mit Aufgaben, so dass bald jeder seltsam anmutende Verhaltensweisen an den Tag legt. Nils sucht verzweifelt nach Puck aus Shakespeares Sommernachtstraum, Madlen schreit ständig «links» und Christoph zeigt allen seine Muskeln. «Das ist der perfekte Moment, um Charaktereigenschaften herauszulassen, die man sonst nicht auslebt.» Der Satz von Sandra Wilde – Organisatorin des Spektakels – ist Programm.

Doch wer sind die Menschen, die in Camping-Stühlen unter einem weißen Zelt sitzen, Gesellschaftsspiele spielen oder im Teich baden? Und warum sind sie in dieses Ferienlager gekommen? «Wir waren früher bei der Jugendfeuerwehr im Zeltlager», erzählt die 27-jährige Sandra. Gemeinsam mit ihren zwei Freundinnen wolle sie noch einmal das Feriengefühl von früher erleben. «Man ist so sorglos und lebt in den Tag hinein», sagt die Wirtschaftsingenieurin. Die Vorteile des Ü18-Lagers: Es gebe weniger Regeln, man müsse nicht um Punkt 8.00 Uhr beim Frühstück sein und Alkohol sei erlaubt.

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Auf der vorab an die Teilnehmer des Ferienlagers versendeten Packliste steht neben den Punkten «feste Schuhe», «Schlafsack» und «Mücken- und Zeckenschutz» auch «Dein inneres Kind mit Flausen im Kopf und unendlicher Neugier». Die vermeintlichen Kinderspiele im Lager seien kein Quatsch, sondern hätten positive Effekte, sagt der Spielforscher Jens Junge.

«Spielen ist ein Grundphänomen des Menschen, das auch nach der Kindheit noch eine große Rolle spielt. Wenn Erwachsene spielen, können sie Verpflichtungen und Zwänge aus dem Alltag vergessen», sagt der Gründer des Instituts für Ludologie – der Lehre vom Spielen – an der Design Akademie Berlin. Es befreie und ermögliche den Ausbruch aus starren Rollen. «Spielen wirkt quasi wie ein Ventil.»

Welches Programm die Frauen und Männer im Alter zwischen 25 und 44 Jahren erwartet, wussten sie vor ihrer Ankunft nicht. «Die Leute sind hier, um runterzukommen. Wir wollen einfach die gute alte Zeit wiederholen», erklärt Nils Stauch, der das Lager gemeinsam mit Sandra Wilde ins Leben gerufen hat. Der braun gebrannte Wildnispädagoge trägt eine Wanderhose, an der ein Messer baumelt. Als Kind war der 38-Jährige bei den Pfadfindern.

Neben Spiel und Spaß ist Entschleunigung ein großes Thema im Camp. Wer mag, kann morgens an einer Meditation teilnehmen. Feste Essenszeiten oder Programmpunkte gibt es nicht. Gelebt wird nach der inneren Zeit. Kaum einer der Urlauber trägt eine Armbanduhr. «Man geht schlafen, wenn man müde ist. Es ist echt schön, nicht so durchgeplant wie sonst zu sein», sagt Teilnehmerin Sandra. Auch der im Alltag so typische Blick auf das Smartphone-Display fällt weg, denn Handyempfang gibt es auf dem Zeltplatz kaum.