Das ist fast ausverkauft: Boom sorgt für leere Regale in Baden-Württemberg

Symbolbild

ka-insider (dpa) – Wenn Wolfgang Renner durch sein riesiges Lager geht, schaut er gähnender Leere entgegen.

Dort, wo sonst Tausende von Fahrrädern auf ihre Auslieferung zum Händler warten, steht gerade kein einziger Karton in den Hochregalen.

Renner ist ein alter Hase im Geschäft. «Eine solche Situation habe ich aber noch nicht erlebt», sagt der ehemalige Rennfahrer und deutsche Mountainbike-Pionier, der mit seiner Firma in Magstadt (Landkreis Böblingen) Räder des Weltmarktführers Merida und seiner eigenen Marke Centurion vertreibt.

Mehr als fünf Millionen Fahrräder sind 2020 in Deutschland verkauft worden, das ist ein Plus von fast 17 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Und der Trend hält in diesem Frühling ungebremst an – so stark, dass dem Handel im Sommer die Fahrräder ausgehen könnten.

«Es hat sich ein enormer Rückstau gebildet», sucht Renner nach Ursachen dafür, dass Fahrräder in diesem Sommer wohl Mangelware werden. Als die Pandemie im März 2020 Europa überrollte, wütete das Coronavirus längst schon in Asien und unterbrach die Lieferketten dort, wo das Herz der weltweiten Fahrradproduktion schlägt. Als in
Deutschland aber die Fahrradläden nach dem ersten Lockdown wieder öffnen durften, «wurden sie geradezu überrannt», sagt Renner.

Lesen Sie auch
Gefährliches Virus breitet sich in Baden-Württemberg auf Fest aus

Plötzlich Zeit zu haben, raus in die Natur zu wollen, Alternativen zu den beengten Verhältnissen in Bussen oder Bahnen zu suchen und dazu kaum Möglichkeiten zu verreisen: All das hat dazu geführt, dass Corona den Trend zum Radfahren 2020 bei prächtigem Fahrradwetter beschleunigte. Nach und nach wurden die Lager der Hersteller
leergeräumt.

Wer derzeit vorhat, ein Fahrrad zu kaufen, bekommt das deutlich zu spüren. «An Schnäppchen brauchen Kunden schon gar nicht zu denken», sagt Peter Litterst, der Geschäftsführer von Link Rad Quadrat, einem großen Fahrradhandel in Gengenbach (Ortenaukreis). Im Gegenteil: «Die Hersteller erhöhen jetzt schon die Preise, weshalb Fahrräder im Laufe des Jahres wohl um mindestens zehn Prozent teurer werden.»

Die Nachfrage ist erheblich höher als das Angebot – und das trifft auch auf Ersatzteile zu. Ketten, Reifen, Schläuche oder Bremsbeläge – vieles davon ist im Online-Shop von Litterst momentan nicht mehr erhältlich. «Wir reservieren die meisten Ersatzteile derzeit nur für
die Kunden, die bei uns ein Rad gekauft haben, damit wir wenigstens noch Reparaturen sicherstellen können», sagt er.